Dienstag, 2. Juni 2009

der letzte Eintrag

Dieser Eintrag wird wohl möglich etwas länger werden, denn ich bin wieder in Deutschland und habe Ewigkeiten nichts geschrieben. Ewigkeiten, in denen ich vieles erlebt habe, viele Emotionen durchlebt habe, wahrscheinlich sogar die intensivsten meines Lebens. Marokko bedeutet für mich eine Zeit voller Gefühle und Erlebnisse und es ist gar nicht so einfach wieder in Deutschland zu sein mit dem Wissen, das diese Zeit Vergangenheit bedeutet. Es war eines der Höhepunkte meines Lebens. Und ich glaube ich bin noch nicht fertig mit diesem Land.

Nun aber die Kurzfassung der letzten Wochen:

In den letzten Wochen wurde viel Abschied gefeiert. Anja, meine Homieschwester aus Berlin hat sich verabschiedet und ist zurückgegangen. Auch Judith meine Seelenschwester aus dem Schwabenländle ist gegangen. Wir haben beides mit fetten Parties auf der Terrasse gefeiert. Die Feuertänzer aus der Stadt waren da, es gab Cocktails,Bier und Rindswurst und alle Leute waren da und haben bis in die Morgenstunden mitgefeiert.
Feuer und Grillen auf der Terrasse, Tanzen im Yacoud

Danach wurde es etwas ruhiger und auch mein Praktikumsvertrag war nun vorbei. Zeit um der letzten Etappe des Landes ins Auge zu sehen: die Besteigung des Jebel Toubkal.

Der höchste Gipfel Nordafrikas ist 4167 m hoch und angeblich leicht zu besteigen. Wir fingen auf 1700m Höhe an, in einem kleinen Bergdorf, wo wir unsere Ausrüstung (Wanderstiefel und Steigeisen) mieteten. Nach 5 Stunden und 15 km strammen Bergmarsches kamen wir auf der Hütte auf 3200m an, wo wir übernachten wollten. Es dunkelte bereits und da wir die Schneegrenze erreicht hatten trugen wir schon seit einigen Kilometern unsere Jacken. Mir schmerzten die Beine und ich war nicht mehr so sicher, ob ich die letzten 1000m Höhenunterschied schaffen wurde. Am nächsten morgen nahm ich eine Ration Schmerztabletten mit und Pete musste sich seinen rechten Fuß in eine Plastiktüte wickeln, da der Schuh durch die 15km Wanderung durchgelaufen war. Mit den Steigeisen an den Füßen ging es dann um 8 Uhr steil bergauf durch den Schnee. Ich hatte große Probleme mit Ihnen, sie waren falsch eingestellt und wir mussten alle 10 Minuten anhalten um sie neu zu fixen. Das kostete Zeit und Nerven, dazu kam dass sich die dünne Luft bemerkbar machte und man dizzy wurde. Die Schmerzen in meinem Bein wurden mit jedem Schritt größer und machten sie zu einem Kampf des Willens gegen den eigenen Körper. Ich dachte vorher immer "ich werde auf gar keinen Fall aufgeben", doch je länger wir brauchten, desto unsicherer war ich mir darin. Dann schlug das Wetter um und als wir den Bergkamm erreichten wehte uns ein eisiger Schneenebel ins Gesicht. Von der Spitze war noch nichts zu sehen. Uns kamen andere entgegen, die verzweifelt aufgegeben haben und den Rücktritt anbrachen. Als ich so dasaß, auf 4000m Höhe, in Schneenebel gehüllt, voller Schmerz, mit kaputter Ausrüstung, schwindelig und mit einem Blick auf einen Abgrund, der nur einen falschen Schritt entfernt auf mein Leben wartete... ja... da dachte ich wirklich ich pack es nicht, ich komm hier nicht mehr lebend runter. Aber es gab keinen Weg zurück, so knapp vor dem Ziel und ich stellte das Erreichen des Zieles über meine Angst. Die letzten 200 Meter Höhe schleppten wir uns durch den Sturm und endlich, endlich sahen wir das Gipfelkreuz. Voll wahnsinniger Freude liefen wir, uns beide stützend, die restlichen Meter und erreichten nach 4 Stunden völlig erschöpft den Gipfel. Wir befanden uns auf dem höchsten Punkt Marokkos, nein Nordafrikas, und das aus eigener Kraft. Und wir waren die Könige der Welt und brüllten unsere Freude und unseren Schmerz und unsere Angst und unsere Erleichterung in den Schneesturm. Der Weg hinunter war dann mehr wie ein Traum als wie Wirklichkeit. Ich legte mich teilweise in diese Schnerinnen, die da waren und rutschte mehrere 100 Meter auf dem Po hinab. Wir schliefen noch eine Nacht in der Hütte. Am dritten Tag ging es die 15km bergab. Pete's Schuhe lösten sich nun endgültig auf und wir kamen folgendermaßen im Dorf an: Pete, ein Fuß barfuß, der andere in der Plastiktüte, ich humpelnd neben ihm, verschwitzt, fertig mit der Welt. Wir wollten von dem Ausleiher unser Geld zurück, da die Ausrüstung völlige Scheiße war und uns nicht nur unseren Verstand geraubt hat sondern auch nicht zu gebrauchen gewesen ist. Der sah das aber völlig anders, meinte wir wären "falsch" gelaufen (wie geht das?!) und wir sollten ihm neue Schuhe zahlen. Es entstand eine heftige Diskussion. Schlussendlich konnte ich ihn mit den Worten "Bismillah" (im Namen Gottes) davon überzeugen an seine Rechtschaffenheit zu denken und wir konnten endlich zurück ins warme Marrakech, wo ein McDonalds, 40° und der Zug nach Rabat auf uns warteten.




Der harte Weg zum Gipfel

Die letzten Tage verbrachten wir dann noch häufiger bei Dieter, unserem Chef, in seinem Haus am Strand, wo wir schwammen, uns den Sonnenuntergang mit einem Glas Wein anschauten und leckere Abendessen aßen. Endlich kam ich auch nochmal dazu erfolgreich eine der vielen coolen Wassersportarten auszuprobieren: Bodyboarden. Is was für Anfänger wie mich ( obwohl in mir ja ein heimlicher Surfer steckt!). Meine Jungs aus der Feuerszene in Rabat hatten noch eine gr0ßartige Show in der Villa des Arts, der wir gemeinsam beiwohnten. Die letzten drei Abende waren wir ordentlich feiern, in unserem Reggaeschuppen, in unserem Afrika Schuppen, und zuguter Letzt auf unserer Terrasse. Alle waren dabei und obwohl alle arbeiten mussten ging keiner nach Hause. Es war einer der coolsten Abende in Rabat, vereint mit den besten Freunden auf der Terrasse, betrunken und glücklich! Alle sagten mir wie sehr sie mich vermissen würden. Und auch ich merkte, dass der Abschied schwerer würde als ich in dem Moment dachte.

Robbin als Surfer - Abschiedsabende

Mein Flug ging von Fes, wo ich am nächsten morgen total verkatert hinfuhr. Natürlich habe ich fast meinen Zug verpasst und auf den Bus in Fes musste ich Ewigkeiten warten. Ich liebe Marokko! So sehr, dass ich im Flugzeug tatsächlich für eine Sekunde die Fassung verlor und mir eine Träne über die Wange kullerte.

Zurück in Frankfurt erwartete mich das kalte graue Deutschland mit all seinen Normen und Alltagsregeln, mit den Menschen ohne Freundlichkeit und Mitgefühl, da wo das Geld herrscht und nicht die Liebe, so wie ich es von früher kannte und so wie ich es vorher nie gesehen habe.
Erst eine Woche später, als ich vor dem Auto der Mfg nach Berlin stand fasste ich wieder neuen Mut. Jetzt sitze ich hier und bin voll im berliner Leben drin, meine WG steht noch und es lässt sich auch hier Spaß haben wie eh und je. Doch etwas hat sich verändert in mir. Der Marokkovirus lebt in mir weiter... Ich fahre nächste Woche zurück und besuche meine alte Clique. Doch die Menschen aus Marokko werden mir fehlen: die Menschen, denen ich die abwechslungsreichste Zeit meines Lebens zu verdanken habe. Aber ich habe sie tief tief in meinem Herzen und diese Zeit wird ewig in meinen Gedanken und Gefühlen weiterleben.

Ich danke allen Menschen für die unglaubliche Zeit! Und ich danke allen, die diesen Blog aufmerksam verfolgt haben.

Das wars...

Robbin